Ngugi wa Thiong’o

Ngugi wa Thiong’o, geboren 1938 in Kenia, studierte am Makerere University College in Kampala (Uganda), wo er seine schriftstellerische Laufbahn begann, und an der University of Leeds (Großbritannien). Mit seinem umfangreichen Romanwerk und einer Vielzahl von literarischen und politischen Essays zählt er zu den bedeutendsten Schriftstellern Afrikas. 1977 wurde er verhaftet und interniert, 1982 musste er Kenia verlassen. Seit 2002 ist er Distinguished Professor of English and Comparative Literature an der University of California, Irvine.

Ausführliche Biografie

Ngugi wa Thiong’o ist Autor von Romanen, Theaterstücken und Essays, Journalist und Herausgeber, Universitätsprofessor und sein Leben lang engagiert in gesellschaftlichen und sozialen Debatten. Seine Werke wurden in mehr als dreißig Sprachen übersetzt, ihm wurden zehn Ehrendoktortitel verliehen. Zudem ist er Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters und Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Ngugi wa Thiong’o wurde 1938 in Kenia in einer großen Bauernfamilie geboren. Die Primarschule und das Gymnasium besuchte er in Kenia, bevor er am Makerere University College in Kampala (Uganda) und an der University of Leeds (Großbritannien) studierte. Geboren zur Zeit, als Kenia noch britische Kolonie war, erlebte er die Jahre des Unabhängigkeitskrieges als Jugendlicher. In seinen frühen Werken ist diese Epoche der Freiheitskämpfe ein zentrales Element.

Seinen ersten Auftritt in der Literaturszene Ostafrikas hatte Ngugi wa Thiong’o 1962 in Kampala mit seinem Theaterstück The Black Hermit. Es folgte eine literarisch produktive Zeit: Er verfasste acht Kurzgeschichten, zwei Theaterstücke, die regelmäßig erscheinende Kolumne As I See It in der Sunday Nation und zwei Romane: Weep Not Child (1964) und The River Between (1965; Der Fluss dazwischen, 1970).

Von 1967 bis 1977 lehrte er englische Literatur an der University of Nairobi. Gemeinsam mit anderen Mitstreitern kämpfte er darum, die Institute an afrikanischen Universitäten von »English Literature« in »Literature« ohne den Zusatz »English« umzubenennen. Ngugi stieß die weitreichende postkoloniale Debatte um die Sprache afrikanischer Literaturen an. In seiner einflussreichen und viel zitierten Essay-Sammlung Decolonising the Mind (1986) plädiert er vehement dafür, afrikanische Literatur in afrikanischen Sprachen zu schreiben. Sprache sieht er als Träger der Kultur, die nicht durch die Verwendung von Kolonialsprachen verdrängt werden darf.

1977 bildete einen Wendepunkt in Ngugis Leben: Er veröffentlichte erstens nach vielen Jahren einen weiteren Roman (Petals of Blood; Land der flammenden Blüten, 1980, später Verbrannte Blüten). Zweitens wurde sein Theaterstück Ngaahika Ndeenda (Ich heirate dich, wann ich will) aufgeführt, das er zusammen mit Ngugi wa Mirii geschrieben hatte. Das Stück ist in Gikuyu verfasst, der Sprache von Kenias größter Bevölkerungsgruppe, und übt scharfe Kritik an den Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in Kenias postkolonialer Gesellschaft. Ngugi wurde ohne Prozess verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Während seiner Gefangenschaft beschloss er, seine literarischen Texte zukünftig in seiner Muttersprache Gikuyu und nicht mehr auf Englisch zu schreiben. Auf Toilettenpapier verfasste er heimlich Caitani Mutharabaini (Der gekreuzigte Teufel, 1988). Nach einem Jahr kam er im Dezember 1978 frei, doch die Repression durch die Regierung um Daniel arap Moi ging weiter und Ngugi floh 1982 ins Exil. Bis 1989 lebte er in Großbritannien, danach in den USA. Moi versuchte weiterhin, gegen Ngugi vorzugehen. Ngugis Werke wurden aus allen Schulen entfernt und verboten. Die Verfolgung nahm absurde Züge an: Ein fiktiver Protagonist in Ngugis Roman Matigari (1989; Matigari, 1991) schien der Regierung so real und durch die geäußerte Kritik derart gefährlich, dass sie einen Haftbefehl gegen die Romanfigur ausstellte.

Im Exil engagierte sich Ngugi wa Thiong’o für Menschenrechte in Kenia und konkret für die Freilassung politischer Gefangener. Von 1988 bis 1992 war er Gastprofessor für englische und vergleichende Literaturwissenschaft in Yale, danach bis 2002 Professor an der New York University und ist seit 2002 Distinguished Professor an der University of California, Irvine.

Nach zweiundzwanzig Jahren im Exil kehrte Ngugi zusammen mit seiner Frau Njeeri 2004 erstmals wieder nach Kenia zurück.

Stimmen

»Eines war klar: Einer, der wie Ngugi den postkolonialen Konsens seiner Heimat störte, musste weg aus Kenia, konnte nur im Ausland überleben. Denn: Was er will, ist Wahrheit. Die Menschen, wo immer sie sind, vor allem aber die Menschen seiner Heimat, sollen die Wahrheit über das erfahren, was passiert ist, und was passiert. Wahrheit schmerzt. Aber Nichtwissen tötet. Sein ganzes Leben war Kampf. Er wurde im freien Kenia terrorisiert. Und schlägt zurück. Bis heute. Mit Worten.«

Friederike Raderer, Österreichischer Rundfunk, Wien  Online einsehen

»Es gibt natürlich nur einen Ngugi. Andere afrikanische Schriftsteller mit der gleichen politischen Zugkraft, die eine breite Öffentlichkeit erreicht, gibt es nur ganz vereinzelt.«

Zoe Norridge, The Guardian, London  Online einsehen

»Es ist kaum möglich, die Kraft des geschriebenen Wortes anzuzweifeln, wenn man die Geschichte von Ngugi wa Thiong’o hört. Es gibt immerhin wenige Satiriker, die es schaffen, eine Geschichte so lebendig zu gestalten, dass ein real existierender Präsident eine landesweite Fahndung nach einer der Figuren lanciert. Thiong’o ist ein sagenhafter Schriftsteller, ein wunderbarer Geschichtenerzähler und mit seinem Werk hat er etwas Wichtiges über die Rolle zu sagen, die Literatur für die Entwicklung spielt.«

Claire Provost, The Guardian, London  Online einsehen

»Das Bild von Kenia, das Ngugi wa Thiong’o zeichnet, ist bewundernswert frei von Heuchelei und Sentimentalität und trotzdem genügt es, den Leser zum Weinen zu bringen. Trotz eines schrecklichen Kriegs reist er mit Stift und Papier durch ein blutendes Land. Im Wissen, dass ein Traum eine bessere Welt formen kann.«

Marie Arana, The Washington Post

»Ngugi wa Thiong’o benutzt das Geschichtenerzählen als kulturelle Bombe gegen die Diktatur. Literaturkritiker erwähnen ihn im gleichen Satz mit literarischen Größen wie Chinua Achebe und Gabriel García Márquez.«

Lynne Duke, The Washington Post  Online einsehen

Dokumente

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Werke von Ngugi wa Thiong’o

Cover

»Ein Roman, der an die Schönheit und Einfachheit alter Volkssagen heranreicht.« The Guardian, London

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Dieses Lesebuch fasst den Kulturbegriff so weit, wie Afrikaner selbst es tun.